The Collaborative Mendel Mendel's Paper: A Collaborative Hypertext
4: Die Gestalt der Hybriden


Versuche über Pflanzen-Hybriden (1865)
von Gregor Mendel.


Die Gestalt der Hybriden.

Schon die Versuche, welche in früheren Jahren an Zierpflanzen vorgenommen wurden, lieferten den Beweis, dass die Hybriden in der Regel nicht die genaue Mittelform zwischen den Stammarten darstellen. Bei einzelnen mehr in die Augen springenden Merkmalen, wie bei solchen, die sich auf die Gestalt und Grösse der Blätter, auf die Behaarung der einzelnen Theile u. s. w. beziehen, wird in der That die Mittelbildung fast immer ersichtlich; in anderen Fällen hingegen besitzt das eine der beiden Stamm-Merkmale ein so grosses Uebergewicht, dass es schwierig oder ganz unmöglich ist, das andere an der Hybride aufzufinden.

Eben so verhält es sich mit den Hybriden bei Pisum. Jedes von den 7 Hybriden-Merkmalen gleicht dem einen der beiden Stamm-Merkmale entweder so vollkommen, dass das andere der Beobachtung entschwindet, oder ist demselben so ähnlich, dass eine sichere Unterscheidung nicht stattfinden kann. Dieser Umstand ist von grosser Wichtigkeit für die Bestimmung und Einreihung der Formen, unter welchen die Nachkommen der Hybriden erscheinen. In der weiteren Besprechung werden jene Merkmale, welche ganz oder fast unverändert in die Hybride-Verbindung übergehen, somit selbst die Hybriden-Merkmale repräsentiren, als dominirende, und jene, welche in der Verbindung latent werden, als recessive bezeichnet. Der Ausdruck "recessiv" wurde desshalb gewählt, weil die damit benannten Merkmale an den Hybriden zurücktreten oder ganz verschwinden, jedoch unter den Nachkommen derselben, wie später gezeigt wird, wieder unverändert zum Vorscheine kommen.

Es wurde ferner durch sämmtliche Versuche erwiesen, dass es völlig gleichgiltig ist, ob das dominirende Merkmal der Samen- oder Pollenpflanze angehört; die Hybridform bleibt in beiden Fällen genau dieselbe. Diese interessante Erscheinung wird auch von Gärtner hervorgehoben, mit dem Bemerken, dass selbst der geübteste Kenner nicht im Stande ist, an einer Hybride zu unterscheiden, welche von den beiden verbundenen Arten die Samen- oder Pollenpflanze war.

Von den differirenden Merkmalen, welche in die Versuche eingeführt wurden, sind nachfolgende dominirend:

  1. Die runde oder rundliche Samenform mit oder ohne seichte Einsenkungen.
  2. Die gelbe Färbung des Samen-Albumens.
  3. Die graue, graubraune oder lederbraune Farbe der Samenschale, in Verbindung mit violett-rother Blüthe und röthlicher Mackel in den Blattachseln.
  4. Die einfach gewölbte Form der Hülse.
  5. Die grüne Färbung der unreifen Hülse, in Verbindung mit der gleichen Farbe des Stengels, der Blattrippen und des Kelches.
  6. Die Vertheilung der Blüthen längs des Stengels.
  7. Das Längenmass der grösseren Axe.
Was das letzte Merkmal anbelangt, muss bemerkt werden, dass die längere der beiden Stamm-Axen von der Hybride gewöhnlich noch übertroffen wird, was vielleicht nur der grossen Ueppigkeit zuzuschreiben ist, welche in allen Pflanzentheilen auftritt, wenn Axen von sehr verschiedener Länge verbunden sind. So z. B. gaben bei wiederholtem Versuche Axen von 1' und 6' Länge in Hybrider Vereinigung ohne Ausnahme Axen, deren Länge zwischen 6 und 7 [und] 1/2' schwankte. Die Hybriden der Samenschale sind öfter mehr punctirt, auch fliessen die Puncte bisweilen in kleinere bläulich-violette Flecke zusammen. Die Punctirung erscheint haüfig auch dann, wenn sie selbst dem Stamm-Merkmale fehlt.

Die Hybridformen der Samen-Gestalt und des Albumens entwickeln sich unmittelbar nach der künstlichen Befruchtung durch die blosse Einwirkung des fremden Pollens. Sie können daher schon im ersten Versuchsjahre beobachtet werden, während alle übrigen selbstverständlich erst im folgenden Jahre an jenen Pflanzen hervortreten, welche aus den befruchteten Samen gezogen werden.


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